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Kritik an Kommunalwahl 2019

Schreiben an die Landeswahlleitung RLP

als Erstwahlhelfer sind mir bei der Kommunalwahl 2019 sowohl im Vorfeld, als auch während des Wahltags, sowie im Nachgang zur Wahl eine Reihe Punkte aufgefallen, die meiner Meinung nach stark verbesserungswürdig sind. In der Hoffnung zu verbesserten Verfahrensweisen bei zukünftigen Wahlen beitragen zu können, möchte ich Ihnen meine Kritikpunkte im Folgenden schildern.

Inhalt:

  1. Bildung der Wahlvorstände
    1. KWG RLP
    2. Beispiel Wahllokal Vettelhoven
  2. Briefwahl
    1. Anleitung für Briefwähler
    2. Zurückweisung Briefwahlen in verschiedenen Wahllokalen
  3. Schulungen der Wahlhelfer
  4. Software „Stimmzettelmodul“
  5. Schriftführer / Niederschriften
  6. Auszählungen
  7. Korrektur der Gemeinde

1. Bildung der Wahlvorstände

1.1 KWG RLP

Im Gegensatz zur Bundestagswahl und den Kommunalwahlen anderer Bundesländer, werden in RLP die Wahlvorstände aus dem Kreis der Wahlbewerber gebildet. Dies steht in einem gewissen Widerspruch zu einer unparteiischen Wahrnehmung der Aufgaben von Wahlhelfern.

Wenn dennoch die Wahlbewerber selbst die Auszählungen durchführen, muss der gegenseitigen Kontrolle eine ganz besondere Bedeutung zukommen. Dies ist meines Erachtens durch die Regelungen im KWG RLP derzeit nicht ausreichend gegeben. In § 26 Abs. 2 heißt es:

[…] bei der Berufung aus dem Kreis der Wahlberechtigten sollen die in der Gemeinde vertretenen Parteien und Wählergruppen berücksichtigt werden […]

Sofern weiterhin beabsichtigt ist die Wahlvorstände aus dem Kreis der Wahlbewerber zu bilden, sollten nicht nur die bereits vertretenen Parteien, sondern auch die zur Wahl angetretenen, potenziell neuen Parteien berücksichtigt werden. Ansonsten ist es möglich, dass ein Wahlvorstand aus Wahlbewerbern von nur einer oder zwei Parteien gebildet wird. Die Gefahr von Wahlbetrug wäre durch eine solche Besetzung erhöht und sollte durch eine klarere Regelung unterbunden werden.

Die Bestimmung könnte z.B. besser lauten: „Der Wahlvorstand muss möglichst zu gleichen Teilen aus dem Kreis der Wahlberechtigten der in der Gemeinde zur Wahl angetretenen Parteien gebildet werden.“

1.2 Beispiel Wahllokal Vettelhoven

Im Wahlbezirk Vettelhoven der Gemeinde Grafschaft hatte das Wahlamt sich zunächst gesträubt, der Aufforderung der Grünen nachzukommen, diese bei der Bildung des Wahlvorstandes zu berücksichtigen. Erst zwei Tage vor der Wahl wurde dann noch eine Wahlbewerberin der Grünen in den Wahlvorstand berufen.

2. Briefwahl

2.1 Anleitung für Briefwähler

Die Erklärungen zur Durchführung einer Briefwahl sind für viele Wähler zu unverständlich und sollten klarer formuliert werden. Allein schon die farbliche Kennzeichnung der Stimmzettel und dazugehörigen Umschläge könnte eindeutiger gestaltet werden.

Im Wahllokal Holzweiler wurden etwa 40 Briefwahlunterlagen wegen Formfehlern nicht gezählt. Hieran ist deutlich abzulesen, dass bei den Erklärungen zur Briefwahl Verbesserungsbedarf besteht. Bei knapp über 1000 Wahlberechtigten, einer Wahlbeteiligung von ca. 65 % und einem Briefwahlanteil von etwa 30% macht dies einen Anteil von etwa 15 % an Briefwählern aus, die beabsichtigt hatten Ihren Wählerwillen zu äußern, aber an Formalitäten der Briefwahl gescheitert sind. Rechnet man diesen Fehleranteil auf sämtliche in der Gemeinde Grafschaft abgegebenen Wahlbriefe hoch, ergibt dieses eine Zahl von etwa 350 Wählerwillen, die allein durch Fehler bei der Durchführung der Briefwahl nicht berücksichtigt wurden.

Diese nicht gewerteten Stimmzettel gelten nicht als ungültige Stimmen, sondern als zurück gewiesene Wahlbriefe, die dementsprechend nicht in die Statistik der ungültigen Stimmen eingehen. Würde man sie einberechnen, läge der Anteil der ungültigen Stimmen in der Grafschaft nicht bei 1,8%, sondern insgesamt bei etwa 7,4 %.

Es stellt sich die Frage, warum die zurückgewiesenen Wahlbriefe nicht zu den ungültigen Stimmen zählen, erweckt die offizielle Statistik doch einen stark verzerrten Eindruck des Wahlergebnisses und unterschlägt den offensichtlich bestehenden Verbesserungsbedarf bei der Durchführung der Briefwahlen.

2.2 Zurückweisung von Wahlbriefen in verschiedenen Wahllokalen

Die Wahlvorstände der verschiedenen Wahllokale haben unterschiedlich beurteilt, ob Briefwahlunterlagen zurückzuweisen sind oder nicht. Im Wahllokal Holzweiler und Gelsdorf wurden z.B. Wahlbriefe zurück gewiesen, bei denen sich der Wahlschein nicht im Wahlbriefumschlag, sondern im Stimmzettelumschlag befand. Im Wahllokal Vettelhoven dagegen, wurde in solchen Fällen unter Beachtung des Wahlgeheimnisses die Wahlbriefe aus dem Stimmzettel-umschlägen entnommen und die betreffenden Briefwahlen gezählt.

In Holzweiler wurde bezüglich der Frage der Zurückweisung oder Wertung solcher Briefwahlunterlagen der kurzzeitig anwesende Verwaltungsangestellte der Grafschaft befragt. Dieser hatte dem Wahlvorsteher und mir gegenüber eindeutig geäußert, dass Stimmzettelumschläge in solchen Fällen nicht zu öffnen, sondern die entsprechenden Wahlbriefe zurückzuweisen sind, so dass die zugehörigen Stimmzettel also nicht zur Auszählung kommen.

Die gleiche Auskunft erhielt der Wahlvorstand in Eckendorf auf telefonische Nachfrage beim Wahlamt der Gemeinde Grafschaft.

Aus dem KWG RLP geht meines Erarchtens aber nicht hervor, dass solche Wahlbriefe zurückzuweisen sind.

Da das Wahlgeheimnis gewahrt bleibt, wenn ein Wahlhefer den Stimmzettel öffnet, um den Wahlbrief zu entnehmen und ein anderer die Stimmzettel in gefaltet verbleibendem Zustand in die entsprechenden Urnen wirft, wäre diese Vorgehensweise im Hinblick darauf, dass Stimmabgaben, aus denen der Wählerwille hervor geht, möglichst gewertet werden sollen, meines Erachtens korrekt.

Die den Wahlhelfern ausgehändigten Schulungsunterlagen enthalten jedoch ausdrücklich den rechts abgebildeten Hinweis, der fälschlicherweise den Eindruck erweckt, dass er sich auf das KWG beziehen würde.

Diese Information der Kommunal-Akademie findet sich tatsächlich aber nicht im Kommunalwahlgesetz wieder.

Ich bitte deshalb um Auskunft mit entsprechender Begründung, welche der genannten Vorgehensweisen der verschiedenen Wahlvorstände nun richtig war.

3. Schulungen der Wahlhelfer

Grundsätzlich konnten nur diejenigen Wahlhelfer an Schulungen teilnehmen, die auch rechtzeitig einberufen wurden. Als ich als Erstwahlhelfer einberufen wurde, war die Hauptschulung für Wahlhelfer, durchgeführt von der Kommunal-Akademie, schon vorbei. Deshalb konnte ich nur noch an der von der Gemeindeverwaltung durchgeführten PC-Schulung mit der Software „Stimmzettelmodul“ teilnehmen.

Viele der Teilnehmer an der PC-Schulung waren, wie ich selbst auch, Erstwahlhelfer. Die Veranstaltung enthielt zwei Teile: 1. Grundsätzliche Themen zu den Auszählungen und 2. Die Software „Stimmzettelmodul. Die gezeigte Präsentation wurde so zügig durchgegangen, dass es für Erstwahlhelfer sicherlich schwierig war, die Inhalte umfassend aufzunehmen.

Dem zweiten Teil konnten viele Teilnehmer kaum folgen, da die Eingaben am PC vom Vortragenden durchgegangen wurden, ohne zur Kenntnis zu nehmen, dass die Teilnehmer an den Ihnen zur Verfügung gestellten Rechnern kaum mit kamen. Der Vortrag war akustisch kaum zu verstehen, die Darstellungen auf der Leinwand waren zu großen Teilen unscharf. Insgesamt machten viele Teilnehmer auf mich einen regelrecht verzweifelten Eindruck. Die Diskussionen unter den Teilnehmern nahmen derart zu, dass der Vortragende kaum noch wahrgenommen wurde.

Der Aufbau des Vortrages war zumindest für Erstwahlhelfer ungünstig. Die ausgehändigten Unterlagen sind teilweise unübersichtlich gestaltet, wie im Beispiel rechts zusehen, wo Beizeichnungspfeile Teile der Texte durchkreuzen.

Es wäre sicherlich hilfreich, wenn den Kommunen professionell ausgearbeitete Schulungsunterlagen zur Verfügung gestellt und die in den Gemeinden Vortragenden zunächst selbst geschult würden.

4. Software „Stimmzettelmodul“

Die zur PC-Eingabe vorgesehenen Wahlhelfer konnten sich eine Demo-Version der Software auf dem eigenen PC installieren, um sich im Vorfeld damit vertraut zu machen.

Zur Verunsicherung führten schon beim Starten der Software die sich von der Anleitung unterscheidenden Begriffe. In der Software wird zur Eingabe einer Programmprüfsumme oder eines Administratorkennworts aufgefordert, wohingegen in der Anleitung von einer Programmprüfziffer die Rede ist. Anschließend fordert die Software die Eingabe einer Prüfziffer, die in der Anleitung als Stimmbezirksprüfziffer bezeichnet wird.

Nun folgt die rechts abgebildete Meldung, die die Frage aufwirft, was nun zu tun ist. Der Anwender hat hier die Wahl mit Ja oder Nein zu antworten, obwohl die Meldung eine Notwendigkeit vermittelt.

Beim Erfassen der Wählerzahlen ergaben sich weitere Unsicherheiten über die einzugebenden Zahlen. Leider hilft die Software dem Anwender nicht. Hilfreich wären hier sog. Balloon- oder Tooltips (Erläuterungen beim Stehenbleiben mit der Maus auf bestimmten Feldern).

Die Eingabe der Stimmen per Maus erzeugte bei immer gleichem Klickverhalten teilweise unterschiedliche Reaktionen der Software, insbesondere bei schnell hintereinander folgenden Mausklicks, um mehrere Kreuze bei einem Wahlbewerber zu setzen. Am Wahltag waren im Wahllokal Holzweiler an mindestens einem Rechner Eingaben per Maus wegen eines fehlenden Mousepads grundsätzlich kaum möglich. Auf die unterschiedlichen Möglichkeiten, die Stimmen per Tastatur einzutragen, wurde in der Schulung nicht eingegangen. Ich selbst habe die Kreuze zunächst per Leertaste eingetragen, um schneller voran zu kommen. Leider stockte der Rechner wegen offensichtlich mangelnder Rechnerleistung bei schnellen Eingaben über die Leertaste so stark, dass auch diese Variante der Eingabe wenig effektiv war. Eine Verbesserung erreichte ich schließlich durch die Eingabe entsprechender Ziffern anstelle von Kreuzen. Die effektive Nutzung erforderte allerdings mehrere Veränderungen in den Einstellungen der Software, die schlecht verständliche Bezeichnungen tragen.

Die Software ist nicht ausreichend intuitiv zu bedienen, verunsichert mit unklaren Meldungen, weist Fehler bei der Eingabe über die Maus auf, bietet keine hilfreichen Tooltips und ist somit insgesamt stark verbesserungswürdig.

5. Schriftführer / Niederschriften

Nach den Berichten des stellvertretenden Schriftführers im Wahllokal Holzweiler fand eine Schulung der Schriftführer praktisch nicht statt. Während der Hauptschulung wurde von dem Referenten der Kommunal-Akademie in nur wenigen Sätzen auf die Eintragungen unter ZS I und ZS II eingegangen, nicht aber auf die Zahl der teilweise verwirrenden Hinweise in den Formularen für die Niederschriften. (Diese Formulare bekamen die Schriftführer selbst erst am Wahltag zu Gesicht.)

Dieses führte zu erheblichen Zeitverzögerungen in den Niederschriften und damit zu Hektik bei den Schriftführern. Es mussten Eintragungen mehrfach durchgestrichen und neu eingetragen werden, weil sie beispielsweise der falschen Rubrik zugeordnet waren.

So konnte im Wahllokal Holzweiler über lange Zeit die Zuordnung von 9 fehlenden Stimmzettel für die Gemeinderatswahl zu der entsprechenden Rubrik nicht geklärt werden.

Nach x-maligen Berichtigungen waren dann Niederschriften derart unübersichtlich, dass die bisherigen Eintragungen in neue Formulare übertragen werden mussten.

6. Auszählungen

Jeder Wahlhelfer hatte zu Beginn der Auszählungen an diesem Tag bereits mindestens 6 Stunden Dienst im Wahllokal hinter sich.
Einige Erstwahlhelfer wurden im Vorfeld nicht darüber in Kenntnis gesetzt, dass die Auszählungen bis tief in die Nacht dauern werden. So fehlte ab ca. 23 Uhr eine Wahlhelferin, weil sie bereits um 4 Uhr morgens aufstehen musste. Meines Erachtens hätten die Auszählungen deshalb ab diesem Zeitpunkt beendet und am Folgetag fortgeführt werden müssen.

Es wäre aber ohnehin sicherlich sinnvoll, die Auszählungen der Kommunalwahlen am Folgetag durchzuführen, weil mit der Länge des Arbeitspensums und mit fortschreitender Uhrzeit die Konzentration ab- und damit die Fehlerquote zunimmt.

Die Zuordnung der Teilnehmer zu den drei verschiedenen Gruppen für die PC-Eingaben wurden vom Wahlvorsteher exakt vorgenommen. Pro PC-Arbeitsplatz waren vier Helfer eingeteilt, so dass die gegenseitige Kontrolle bei der PC-Eingaben gegeben war.

Bei den vorangegangenen Zählungen und Sortierungen der Stimmzettel jedoch wurden die Helfer nicht eingeteilt, sondern suchten sich selbstständig aus, an welchen Wahlzetteltischen sie sich beschäftigten. Die Auszählungen verliefen insgesamt wegen der zu bewältigenden Anzahl der Stimmzettel hektisch. Bei der Auszählung der Stimmzettel zur Gemeinderatswahl kam es dazu, dass über längere Zeit lediglich ein Wahlhelfer die Stimmzettel mit den angenommenen Wahlvorschlägen nach Parteien sortierte.

Im Nachhinein kamen im Gespräch mit Wahlhelfern anderer Wahllokale Zweifel darüber auf, ob diese Stimmzettelsortierung an dem Abend überhaupt auf Fehlsortierungen kontrolliert wurden. Falls nicht, wäre eine erhöhte Fehlerquote wegen des ausgebliebenen Vier-Augen-Prinzips wahrscheinlich und auch ein beabsichtigter Wahlbetrug theoretisch möglich gewesen. Es wurde deshalb der Hinweis an die Gemeindeverwaltung gegeben, dass unklar sei, ob die Verfahrensweise beim Sortieren hinnehmbar sei und darum gebeten, die entsprechenden Stimmzettelstapel auf Fehler zu kontrollieren.

7. Korrektur der Gemeinde

Der Bürgermeister teilte in der öffentlichen Wahlausschusssitzung am gleichen Tag dann mit, dass aufgrund eines Hinweises eines Wahlhelfers aus Holzweiler ein versiegelter Stimmzettelstapel durch die Gemeindeverwaltung geöffnet und kontrolliert worden sei. Dabei wäre ein Stimmzettel in einem falschen Parteistapel entdeckt und entsprechend korrigiert worden.

Wer genau an dieser Prüfung teilgenommen hatte, wurde nicht mitgeteilt.

Ich bitte um Auskunft, ob diese Vorgehensweise der Gemeinde rechtmäßig war oder die Prüfung nicht unter Beteiligung der Öffentlichkeit hätte stattfinden müssen.

Mit freundlichen Grüßen
Boris Zoons

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